Nachhaltiges Wirtschaften ist für kleine und mittelständische Handwerks- und Gewerbebetriebe Alltag. Ebenso ist die Erkenntnis nicht neu, dass Baufirmen mit ihrer Ausführungskompetenz möglichst frühzeitig in die Planung einbezogen werden sollten, um effizienter mit Rohstoffen und Energie umzugehen und hohe Baukosten zu vermeiden.

Auf Einladung der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) Wolfenbüttel trafen sich zahlreiche Mitglieder am 17. April 2024 im Firmenneubau der Kümper & Schwarze GmbH und diskutierten über aktuelle Herausforderungen und Chancen in der Bauwirtschaft. Denn: Angesichts der Flaute in der Bauwirtschaft droht sich die Wohnbaukrise in Deutschland weiter zu verschärfen.

„Wir sorgen im Kleinen dafür, dass die Bundesregierung ihre Zusagen umsetzen kann“, begrüßte Dieter Schwarze, Geschäftsführer der Kümper & Schwarze GmbH, die Anwesenden. Und die aktuellen Unternehmenszahlen des 1933 gegründeten und in vierter Generation familiengeführten Bauunternehmens können sich sehen lassen: 125 eigene Mitarbeitende, rund 50 Millionen Jahresleistung. „Wir bauen gerne schnell – und dabei auch noch schön!“, fuhr Schwarze fort und nahm Bezug auf den 2022 bezogenen Neubau der Firmenzentrale, der in nur gut acht Monaten schlüsselfertig umgesetzt worden ist.

Zuverlässigkeit, der Einsatz moderner Bauverfahren und anspruchsvolle Entwürfe gehören zur DNA des Wolfenbüttler Bauunternehmens. Als Beispiel nannte Schwarze unter anderem den Bau des Zentralgebäudes der Leuphana, der als architektonischer Meilenstein auf dem Weg zu einem zukunftsweisenden Campus in Lüneburg gewertet werden kann und bereits zahlreiche Preise gewann. Zukunftsweisend agiert das Unternehmen laut Schwarze aber auch im Umwelt- und Naturschutz, beispielsweise im Bereich Kanalbau. Laut Schwarze arbeite sein Unternehmen „hier außerordentlich umweltgerecht“, in dem möglichst viel des zuvor ausgehobenen Bodens wieder genutzt wird. Das bedeute „am Ende des Tages weniger Kiese und Sande, die wir anderswo beschaffen müssen. Damit sparen wir ordentlich CO2-Emissionen ein“.

Negative Stimmung im Bauhandwerk alarmierend

Laut einer im April 2024 veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) fehlen in Deutschland mehr als 800.000 Wohnungen, gleichzeitig ist der Wohnungsbau 2024 um 5,4 Prozent zurückgegangen.  Gerade bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper. Eine Kettenreaktion hat sich in Bewegung gesetzt, mit fatalen Folgen, wenn nicht kurzfristig politisch gegengesteuert wird. „Wir nehmen eine Alarmstimmung von unseren Mitgliedern aus der Baubranche deutlich wahr. Das Bauen muss bezahlbar bleiben – für Bauherren, aber auch für Bauunternehmer. Gewerbe und Handwerk sind in ihrer Existenz bedroht“, so Steffen Maschke, 1. Vorsitzender der MIT Wolfenbüttel. Immer mehr Auflagen und Nachweispflichten würden zusätzlich die Stimmung im Bauhandwerk trüben. Daher müsse laut Maschke „das Bauen auch in Zeiten notwendiger Klimaschutzmaßnahmen bezahlbar bleiben, aber vor allem insgesamt schneller und einfacher gehen!“, bringt es Maschke auf den Punkt.

Innovationsfreude in der Branche macht Mut

Auf Deutschlands Weg zur Klimaneutralität bis 2045 werden laut Klaus Stützer noch zahlreiche „mehr oder weniger gute Gesetze beschlossen“ werden. Die Folgen sind laut dem Vorstand des Massivhaus-Anbieters Vierbrockhaus AG aus Harsefeld „eine massive Zunahme zusätzliche Dokumentationspflichten.“ Dies führe zwangsläufig zu mehr Bürokratie und Unsicherheit in der Baubranche. Am Beispiel des jüngst auf europäischer Ebene beschlossenen ‚Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)‘ verdeutliche Stützer, wie auch mittelständische Unternehmen sich bereits heute auf die Berichtspflicht zur Nachhaltigkeit ab dem Jahr 2025 vorbereiten müssen. Trotz dieser bürokratischen Hürden ist es Stützer am Abend aber wichtiger, den Blick nach vorne zu richten. „An den Auflagen werden wir nichts mehr ändern können“, so Stützer. Daher war es der Vierbrockhaus AG wichtig „ins Machen zu kommen und damit frühzeitig zukunftsfähige Häuser auf Jahre voraus zu entwickeln“. Als Beispiel gab er Einblicke in die im September 2023 eröffnete ‚Smart City‘ in Harsefeld, nahe Hamburg. „Das Thema Energieeffizienz hatten wir im Großen und Ganzen für uns abgeschlossen. Wir mussten jetzt nur noch sehen, wie wir ressourcenschonend bauen. Das heißt, wir mussten das Bauen einmal komplett neu betrachten.“ So wurden beispielsweise alle Häuser in der neuen Siedlung mit dem eigens entwickelten „Power Roof“ ausgestattet. Hier ersetzen die Photovoltaikmodule die Dachpfannen vollständig. „Die PV-Anlage auf der sonnenzugewandten Seite des Hauses ist also nicht nur ein Teil des Daches: Sie ist das Dach.“ Der Verzicht auf Dachziegel spart laut Stützer erhebliche Mengen Treibhausgas, die sonst beim Brennen der Ziegel entstehen. Hinzu kommt, dass über eine komplexe energetische Vernetzung, der lokalproduzierte Strom zunächst in der Siedlung genutzt wird. Erst bei einem Überangebot im Quartier wird der Strom ins öffentliche Netz eingespeist.

Ein weiterer Stellhebel sei das Upcycling, d.h. wieder Stoffe zu verwerten, die schon einmal genutzt wurden und denen dann ein zweites Leben in einer hochwertigen Bauform zu schenken. Als Beispiel nannte Stützer den Einsatz recycelter Verblender. Ältere Häuser wurden zurückgebaut und die Steine sortiert, um in der Smart City Harsefeld wieder die Fassaden der Häuser zu zieren. „Noch kosten diese Steine in etwa das Doppelte verglichen mit konventionell neuproduzierten Ziegeln. Aber der Weg ist das Ziel!“, zeigt sich Stützer überzeugt. Hinzu kämen beispielsweise eine spezielle Betonmischung, die 72% Ressourcen schont sowie vielfältige Maßnahmen, um das Niederschlagswasser dort zwischen zu speichern, wo es fällt. „Die Auswirkungen während der langanhaltenden Regenfälle gegen Ende 2023 waren in unserer ‚Schwamm-Stadt‘ marginal.“ Unter anderem setze der Massivhaus-Anbieter auf der sonnenabgewandten Seite des Daches auf eine innovative Schrägdachbegrünung, die „nicht nur einen kühlenden Effekt bewirkt, sondern auch Wasser speichert“, so Stützer. Und weiter: „Wir schaffen es mit den Häusern alle Fördertöpfe, die es aktuell staatlich gibt, abzuschöpfen. Was es für unsere Kunden möglich macht, trotz aktuell hoher Zinsen, bezahlbaren Wohnraum für eine breite Masse zu erzeugen.“ Die Kunden bekämen „on top zukunftsfähige Hauser, die bei Schlüsselübergabe noch auf Jahre ihrer Zeit voraus sind.“

Und auch die soziale Komponente beim nachhaltigen Bauen hat die Vierbrockhaus AG auf den Zettel. „Wir übertragen viele Smart-City-Komponenten auf unsere Powertownhäuser, die den Regeln des geförderten Wohnungsbaus (‚Zweiter Förderweg‘) entsprechen. Das leben in zukunftsfähigen Wohnungen wird so einer breiten Masse finanziell ermöglicht.“ Als Preisniveau gab Stützer einen Miet-Quadratmeterpreis zwischen sieben bis neun Euro als Zielvorgabe aus, abhängig von der jeweiligen Region.

Maschke: „Innovation und Bau? Das gehört schon immer zusammen“

Was der Abend gezeigt hat: die Baubranche ist im Umbruch. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz werden immer wichtiger, erfordern aber auch ‚Out of the Box‘-Denken und Mut zu Neuem – und das in aktuell schwierigen Zeiten. „Aber es braucht vor allem auch Verlässlichkeit von Seiten der Politik. Zusagen und Förderprogramme können nicht willkürlich von einem auf den anderen Tag widerrufen werden“, so die klare Forderung von Steffen Maschke. Und er bilanziert zurecht: „Innovation und Bau? Das gehört schon immer zusammen!“


Bericht: Daniel Westphal
Fotos: MIT Wolfenbüttel


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